Comtesse des Grauens

Aus dem Liebesleben der Blutgräfin

Diese Frau ist der Hammer: Im sechsten Teil der Blu-ray-Revivalreihe von Anolis Entertainment mit Horrorklassikern aus den britischen Hammer Studios wandelt Genre-Diva Ingrid Pitt auf den blutigen Spuren von Erzsébet Báthory.

Das Streben nach ewiger Jugend und Schönheit hat seine Schattenseite. Im Gruselkanon der Kulturgeschichte sind nicht Botox-Injektionen und plastische Chirurgie das unappetitliche Mittel zum makellosen Zweck, sondern das Bad im Blut holder Jungfrauen. Als Ursprung dieser pervertierten Umdeutung des Jungbrunnen-Mythos gilt der berüchtigte Lebenswandel der ungarischen Gräfin Erzsébet Báthory (1560-1614), die auf ihrem Schloss junge Frauen zu Tode folterte – eine Quelle spricht  gar von 650 Opfern! Bei einer solch horrorfilmreifen Vorlage erstaunt es schon, dass Báthory erstmals 1971 von Regisseur Peter Sasdy in eine Leinwandfigur verwandelt wurde, der in einem Zeitungsartikel über die Blutgräfin gelesen hatte. In "Comtesse des Grauens" entdeckt die frisch verwitwete Adlige Elisabeth Nádasdy (Ingrid Pitt) durch einen Zufall, dass sich Jungfrauenblut revitalisierend auf ihr runzeliges Erscheinungsbild auswirkt. Mit Hilfe des ihr verfallenen Majordomus Captain Dobi (Nigel Green) geht die skrupellose Greisin fortan auf Mädchenjagd und schlüpft - verwandelt in eine atemberaubende Schönheit - in die Rolle ihrer eigenen Tochter Ilona. Als diese stürzt sie sich in eine leidenschaftliche Liaison mit dem jungen Rittmeister Imre Toth (Sandor Elès), dem jedoch ein böses Erwachen bevorsteht. Denn je öfter sich Elisabeth verjüngt, desto unansehnlicher wird ihr wahres Ich.

Der opulenten Ausstattung und eleganten Inszenierung, die dank HD-Bearbeitung in satten Farben erstrahlt, merkt man an, dass Regisseur Sasdy vor seiner Genretätigkeit für Hammer historische TV-Dramen für die BBC gedreht hat. Diesem Background ist auch geschuldet, dass "Comtesse des Grauens" nicht als Horrorschocker, sondern als Melodrama mit poetischer Schauernote daherkommt. Wäre es nach Sasdy gegangen, hätte es sogar nicht einmal nackige Schauwerte gegeben. Im unterhaltsamen Bonus-Interview gibt der mitteilungsfreudige Regisseur zu Protokoll, dass seine erste Wahl für die Bathory-Rolle keine Geringere als Theaterdiva und "Emma Peel"-Legende Diana Rigg gewesen ist, die Hammer-Produzenten aber auf das Sexappeal ihrer "Gruft der Vampire"-Bombshell Ingrid Pitt bestanden hätten. Zu Pitts Ehrenrettung muss gesagt werden, dass sich die 2010 verstorbene Aktrice, die in den Extras in einem Interview von 1994 und ihrem Audiokommentar für die britische Blu-ray-Veröffentlichung anekdotenreich zu Wort kommt, mit Schmackes in die schauspielerische Herausforderung gestürzt hat und speziell in den Sequenzen als verliebter Backfisch zu bezaubern versteht. Wie in der vorangegangenen Veröffentlichung "Hände voller Blut" wird das Bonusmaterial der deutschen Blu-ray-Premiere mit einem Audiokommentargespräch zwischen dem Filmgelehrten Dr. Rolf Giesen und Labelimpresario Ivo Scheloske abgerundet. Wer eine der streng limitierten Mediabook-Versionen ergattert, darf sich zusätzlich über ein reich bebildertes 24-Seiten-Booklet freuen. Im Februar geht die Hammer-Reihe mit John Gillings Zombiemär "Nächte des Grauens" (1966) in die nächste Runde – wann genau erfährt man auf der Homepage von Anolis Entertainment.

 

"Comtesse des Grauens" (Originaltitel: "Countess Dracula") – GB, 1971 (93 Min.)