Frankensteins Ungeheuer

Schau mir in die Augen, Monster

Aller guten Dinge sind 3: Im dritten Frankenstein-Film der Hammer Studios nimmt Peter Cushing in seiner Paraderolle als getriebener Wissenschaftler die Dienste eines Jahrmarkt-Hypnotiseurs in Anspruch – mit fatalen Auswirkungen.

Am 8. Januar ist es genau 51 Jahre her, dass "Frankensteins Ungeheuer" auch in bundesdeutschen Filmtheatern Schrecken verbreiten durfte. Der 1964 entstandene Grusler feierte jüngst seine deutsche HD-Heimkino-Premiere als achter Teil der famosen Blu-ray-Mediabook-Reihe von Anolis Entertainment, in der besondere Klassiker der britischen Horrorfilmfabrik Hammer gewürdigt werden. Und dass es sich bei der dritten Studio-Interpretation der einst von Mary Shelley ersonnenen Schauermär um einen würdigen Eintrag in den Anolis-Kanon handelt, lässt sich bereits an der Reboot-Filmhandlung ablesen. In der Rolle des getriebenen Wissenschaftlers brilliert wie in den beiden zusammenhängenden Vorgängern "Frankensteins Fluch" (1957) und "Frankensteins Rache" (1958) erneut Peter Cushing, der begleitet von seinem treuen Assistenten Hans (Sandor Elès) aus dem Exil in seine verwüstete Burg über Karlstadt zurückkehrt. Wie ein faszinierend dialogfreies Flashback-Kapitel verrät, musste der Baron von dort Hals über Kopf fliehen, nachdem seine aus Leichenteilen erschaffene Kreatur (Kiwi Kingston) einige Schafe der aufgebrachten Dorfgemeinde gerissen hatte und in die Berge getrieben worden war. Von einer taubstummen Bettlerin (toll: Katy Wild) wird der heimgekehrte Frankenstein zum im Gletschereis konservierten Ungeheuer geführt, dessen Wiederbelebung aber nicht so recht gelingen will. Da trifft es sich gut, dass der Wissenschaftler zuvor auf dem städtischen Jahrmarkt die Bekanntschaft des Hypnotiseurs Zoltan (Peter Woodthorpe) gemacht hat, der in der Kreatur tatsächlich den Lebensfunken aktivieren kann. Zum Leidwesen Frankensteins steht das klobige Ungetüm aber jetzt unter der Kontrolle des versoffenen Rummel-Illusionisten. Und der hat keine Skrupel, seinen monströsen Diener heimlich auf Raub- und Mordzüge zu schicken.

Die thematische Nähe zu "Das Cabinett des Dr. Caligari" ist eine der Auffälligkeiten, die im üppigen Bonusmaterial der glänzend bildrestaurierten HD-Edition  thematisiert werden. Im Zentrum des 28-minütigen Making-ofs und des exklusiven Audiokommentars der Genrefilm-Experten Dr. Rolf Giesen und Volker Kronz stehen aber die inhaltlichen und produktionstechnischen Verbindungen zu den Frankenstein-Klassikern aus dem Hause Universal. Das Monsterfilmstudio der 30er und 40er Jahre hatte nämlich "Frankensteins Ungeheuer" bei Hammer in Auftrag gegeben und dafür den Engländern die Rechte am eigenen Horrorkatalog sowie dem Design der legendären Boris-Karloff-Maske zur Verfügung gestellt. Das führte nicht nur dazu, dass der dritte Hammer-"Frankenstein" mit Zitaten aus den US-Klassikern gespickt ist, sondern auch dass von der in den beiden Vorgängern beschworenen Gothic-Horror-Atmosphäre Abstand genommen wurde. Der gelernte und damals frisch Oscar-prämierte Kameramann Freddie Frances, der für den 'Neustart' einmalig das "Frankenstein"-Zepter vom Hammer-Stammregisseur Terence Fisher  übernehmen durfte, richtete sein geschultes Auge auf die packende Inszenierung eines Mad-Scientist-Dramas, bei dem weniger die missbrauchte Kreatur als vielmehr ihr missverstandener Schöpfer zur tragischen Figur stilisiert wird – eine Schwerpunktverschiebung, die der mit diesem Film nach einer vierjährigen Auszeit ins Horrorfach zurückgekehrte Peter Cushing mit einer bemerkenswert intensiven Performance zurückzahlte. Ein Hingucker im Film ist ohne Zweifel auch das üppige Dekolleté der früheren 'Miss London by Night" Caron Gardner, die in ihrem Hammer-Debüt ein paar kurze Momente als Trophy-Wife des korrupten Bürgermeisters hat und in einem exklusiven Interview dem Filmgelehrten Uwe Sommerlad ausführliche Einblicke in ihre Filmkarriere als Augenfutter vom Dienst liefert. Erstmals ausgewertet wurden auf der deutschen Veröffentlichung auch 13 zusätzliche Filmminuten, die in den USA für die TV-Auswertung von "Frankensteins Ungeheuer" produziert worden sind und die Vorgeschichte der taubstummen Bettlerin aus Kindertagen erzählen.

Nachdem zwischenzeitlich "Das schwarze Reptil" und "Dracula und seine Bräute" erschienen sind, geht es in der Hammer-HD-Reihe demnächst mit Teil 11 weiter. Um welchen Klassiker es sich dann handelt, erfährt Fan auf der Anolis-Homepage.

 

"Frankensteins Ungeheuer" (Originaltitel: "The Evil of Frankenstein") – GB, 1964 (86 Min.)