Ein Toter lacht als Letzter

Rache ist spanische Blutwurst

Hells Bells: Die deutschsprachige DVD-Premiere des im Original "Glocke der Hölle" betitelten Kultschockers von Claudio Guerín beweist eindrucksvoll, wie facettenreich die 70er-Jahre-Genrekost im Land der reitenden Leichen war.

Werden die Begriffe "Spanien" und "Horror" in einem Atemzug genannt, schlurfen am geistigen Auge des geneigten Genrefans unweigerlich Amando de Ossorios reitende Leichen vorbei – mit Sleaze-Meister Jess Franco und seinen lesbischen Vampir-Grazien im Schlepptau. Dass während der Franco-Diktatur aber auch raffiniertere Exploitation-Schocker für den europäischen Export produziert wurden, beweist die kaum bekannte Gothic-Giallo-Perle "Ein Toter lacht als Letzter", die unlängst via Österreich vom Label Colosseo Film für den deutschsprachigen Heimkinomarkt neu erschlossen wurde. Renaud Verley spielt den jungen Lebemann Juan, der von seiner Tante (Viveca Lindfors) und ihren drei Töchtern in die Psychiatrie eingewiesen wurde, damit er nicht an das Erbe seiner verstorbenen Mutter gelangt. Auf Probe entlassen, quartiert sich der charismatische Sonderling im leerstehenden Elternhaus ein und bereitet akribisch einen kaltblütigen Racheplan vor. Unter dem Vorwand, sich aussöhnen zu wollen, lädt er seine raffgierige Verwandtschaft zum Essen ein. Doch in Wahrheit sollen seine Cousinen Esther (Maribel Martín), Teresa (Nuria Gimeno) und María (Christina von Blanc) in den Genuss der Handwerkskünste kommen, die sich Juan zuvor als Zerleger in einem Schlachthof angeeignet hat. 

Diese realen Schlachthaus-Impressionen mögen der Grund dafür sein, dass die alte Video-Fassung von "Ein Toter lacht als Letzter" hierzulande noch immer indiziert ist. Im sorgsam komponierten Spannungsboden von Regisseur Claudio Guerín erfüllen die in unschöner Mondo-Manier präsentierten Tiersnuff-Szenen  jedoch einen perfiden Zweck. Denn auch wenn es in Juans Schlachter-Hobbykeller nicht zum Äußersten kommt, "sieht" das geistige Auge des Betrachters unweigerlich, was den drei nackt und betäubt vor sich hin baumelnden Cousinen beinahe geblüht hätte. Genauso geschickt wird mit der Imagination des Zuschauers im Finale gespielt. Nach dem vermeintlichen Scheitern seines Racheplans wird Juan von seinen Widersachern im Turm der örtlichen Kirche ans Seil der neuen Glocke geknüpft, deren Anlieferung und Installation den ganzen Film über eine Parallelhandlung schildert. Als die Glocke dann am nächsten Tag zur Messe erstmals geläutet wird, ersetzt das Ertönen des ersten Glockenschlags die szenische Darstellung von Juans Strangulationstod. Doch hat für den sadistischen Trickster tatsächlich das letzte Stündlein geschlagen? Der deutsche Verleihtitel und ein famos inszenierter Geisterbahn-Showdown sprechen da eine ganz andere Sprache.

Neben der beschriebenen Giallo-Suspense, die durch den smarten Einsatz des französischen Kinderliedes "Frère Jacques" noch zusätzlich pointiert wird, und dem stark aufspielenden Hauptdarsteller, hinter dessem gefühlskalten Pokerface lauernder Hass durchschimmert, ist es die Inszenierung, die "Ein Toter lacht als Letzter" zu einem besonderen Gruselfilmvergnügen macht. Mit extremen Perspektiven, Detailaufnahmen, subjektiver Kamera, schleichenden Gothic-Horror-Schwenks und perfekt geschnittenen Parallelmontagen beschwören Regisseur Guerín, sein Kameramann Manuel Rojas und Cutterin Magdalena Pulido eine unheilvolle Alptraumatmosphäre herauf, die sich auf der im Exklusiv-Vertrieb von NSM Records erhältlichen DVD mit exzellenter Bildqualität in die Netzhaut brennt. Leider bietet die überfällige Präsentation der integralen Uncut-Fassung des Films als Bonusmaterial nur eine Bildergalerie und eine alternative Szene, in der für die heimische Auswertung in Spanien auf nackte Export-Tatsachen verzichtet wurde. Über die dramatische Produktionsgeschichte erfährt man hingegen nichts. Der Film musste nämlich von Javier Bardems Onkel Juan Antonio Bardem zu Ende gedreht werden, nachdem Regisseur Guerín an einem der letzten Drehtage vom Glockenturm der gallizischen Kleinstadt Noia zu Tode gestürzt war. Ob der damals 34-Jährige einem Unfall erlag, Selbstmord begann oder Opfer ganz anderer Umstände wurde, gehört bis heute zu den schaurigen Mysterien der spanischen Filmgeschichte.

 

"Ein Toter lacht als Letzter" (Originaltitel: "La campana del infierno") – Spanien/Frankreich, 1973 (93 Min.)