Tokyo Ghoul

Mit dem Über-Ich auf Du und Du

Monströses Erwachen: In der 12-teiligen Serie aus dem Anime-Hause Studio Pierrot ("Naruto") mutiert ein Student gegen seinen Willen zu einer mächtigen Kreatur der Nacht mit unstillbarem Hunger auf Menschenfleisch.

Wenn es einen Preis für das schlimmste Date aller Zeiten gäbe, wäre er Ken gewiss. Nach einem harmonischen Abend mit der schönen Liz entpuppt sich die Angebetete des 18-jährigen Uni-Frischlings als blutrünstige Ghoula, die ihm nicht an die Hose, sondern an die Innereien will. Auch wenn ein zusammenstürzendes Baugerüst verhindert, dass Ken komplett ausgeweidet wird, ist sein Erwachen im Krankenhaus ein böses. Um ihn zu retten, wurden ihm die Organe der neben ihm gefundenen Frauenleiche eingesetzt, was zur Folge hat, dass der junge Mann keine normale Nahrung mehr zu sich nehmen kann. Stattdessen gelüstet es ihn nach Menschenfleisch – eine Gier, die sein linkes Auge rot glühen lässt und die Ken verzweifelt zu kontrollieren versucht. Unterstützung erhält er dabei von den Betreibern des Cafés Antik, das sich als Refugium für gemäßigte Ghoule erweist, die sich von Leichen ernähren und damit unbemerkt unter den Menschen leben. Während ihm der Geist von der als "Vielfraß" berüchtigten Liz im Kopf herumspukt und ihn von den Vorzügen seiner neuen monströsen Seite überzeugen will, erfährt Ken, dass jeder Ghoul über eine besondere Mutantenkraft verfügt, eine "Tauben" genannte Sondereinheit der Polizei einen brutalen Vernichtungsfeldzug gegen seine neuen Artgenossen führt und dass mächtige Ghul-Gegner wie der schleckermäulige "Gourmet" oder der psychopathische "Jason" Halblinge wie ihn zum Fressen gern haben.

Vom blutgetränkten Mystery-Auftakt an entfaltet die mit aufwendigem Produktionsdesign aufwartende Verfilmung der Manga-Vorlage von Sui Ishida eine düstere Grundstimmung, die perfekt mit der tiefgründigen Tragik der Story harmoniert, in deren Verlauf immer deutlicher wird, dass es im Konflikt Ghoule gegen Menschen kein Gut und Böse gibt. Kens Kampf um die letzten Reste seiner Menschlichkeit wird dabei mit Regieeinfällen kombiniert, die mit Animationskost vom Fließband nichts zu tun haben. Wenn beispielsweise Ken seinen Vorsatz, kein Menschenfleisch zu essen, doch brechen muss, ist statt des "Sündenfalls" ein Schwarzbild zu sehen, über dem ein markantes Schluckgeräusch ertönt. Und in der abschließenden 12 Episode, in der Ken von Jason gnadenlos gefoltert wird, werden wir von der extrem drastischen Szenerie immer wieder in die entrückte Traumkulisse von Kens Psyche entführt, in der unser doppelt gepeinigter Held von Liz angeleitet sein Ghoul-Schicksal annimmt – ganz großes Zeichentrickkino! Kens Verwandlung in den weißhaarigen Über-Ghoul, der uns vom Sammelschuber-Cover des ersten Blu-ray-Volumes angrinst, ist leider auch der Schlussakkord, mit dem die erste Staffel spektakulär endet. Wie es nach dem Cliffhanger mit Ken und seiner neuen Rolle als "einäugiger König" weitergeht, erfährt man in der zweiten "Tokyo Ghoul"-Staffel, die immerhin schon auf dem Streaming-Portal Anime on Demand zu sehen ist. Ob und wann die Heimkino-Auswertung erfolgt, erfährt man auf der Kazé-Homepage.

"Tokyo Ghoul" (Originaltitel: "Tokyo Guru") – Japan, 2014 (12 Episoden a 25 Min.)