Night Ripper

Italiens Eintrag ins Serienkiller-Stammbuch

True-Crime-Giallo: Teil 6 der "Giallo Edition" des Labels filmArt beschert Freunden des italienischen Genre-Kinos die HD-Weltpremiere von Cesare Ferrarios Spielfilm-Spekulation über "Das Monster von Florenz". 

Zwischen 1968 und 1985 lebten florentinische Liebespaare lebensgefährlich. In diesen 17 Jahren beging ein bis heute nicht identifizierter Killer acht bestialische Doppelmorde, die von den Behörden trotz größter Bemühungen nicht aufgeklärt werden konnten. Bereits sieben Monate nach der letzten Schreckenstat am 8. September 1985 startete in den italienischen Kinos ein fiktives Kriminalstück, das basierend auf den als Buch erschienenen Recherchen des Kriminalreporters Mario Spezi versuchte, "Il mostro di Firenze" ein Gesicht zu geben. Im Zentrum des Films steht Autor Andreas Ackermann (Leonard Mann), der moralisch unterstützt von seiner Journalistenfreundin Giulia (Bettina Giovannini) ein Enthüllungsbuch über die mysteriöse Mordserie schreiben will, die Florenz seit Jahren in Angst und Schrecken hält. Während er die einzelnen Morde an Liebespaaren, die ihre heimlichen Techtelmechtel an abgelegenen Orten mit dem Leben bezahlten, Revue passieren lässt, entwirft Andreas vor seinem geistigen Auge ein spekulatives Täter-Psychogramm. In diesen mittels klassisch inszenierter Flashbacks eingefügten Episoden entsteht das "gialloeske" Bild eines gestörten Triebmörders, dessen inzestuös angehauchte Unterdrückung durch die dominante Mutter zu Beziehungsunfähigkeit und einem pathologischen Hass auf das weibliche Geschlecht geführt hat. Doch wie lässt sich ein solches Monster identifizieren, wenn es hinter dem Antlitz menschlicher Normalität verborgen bleibt?

Abgesehen vom krassen und mitreißend inszenierten Auftaktsmord aus Täterperspektive kommt der Spät-Giallo "Night Ripper" überraschend handzahm daher. Anstatt die berüchtigten Genitalverstümmelungen des Florenz-Monsters sexploitationhaft auszuschlachten, begnügt sich Cesare Ferrario bei seinem Regiedebüt mit Andeutungen, die in der als Bonus enthaltenen Italo-Fassung sogar noch deutlich kürzer und fragmentierter ausfallen als in der internationalen Kinoversion. Vom Giallo-Regelbuch entfernt sich Ferrario auch in der Konzeption seines ermittelnden Helden, der subgenre-untypisch nicht in das mörderische Geschehen involviert wird, sondern das Grauen wie eine Art Zaungast dokumentiert. So entpuppt sich der mit einem gediegenen 80er-Jahre-Saxofon-Score unterlegte "Night Ripper" als unaufgeregte Rückkehr zu den kriminalistischen Wurzeln des Giallo-Genres, bei der die analytisch-spekulative Interpretation der Taten wichtiger ist als die reißerische Over-the-Top-Inszenierung des Todes. Solide Krimi-Unterhaltung, die vor allem für Giallo-Komplettisten ihren Reiz hat und deren mit einer astreinen Bildqualität aufwartenden Veröffentlichung als Blu-ray-DVD-Kombo ein Booklet beiliegt, in dem u. a. die realen Ermittlungen zur Mordserie des Monsters von Florenz (siehe Videos unten) aufgearbeitet werden. Mit welchem Italo-Thriller und wann es in der famosen "Giallo Edition" weitergeht, erfährt man auf der filmArt-Facebook-Seite.

 

"Night Ripper" (Originaltitel: "Il mostro di Firenze") – Italien, 1986 (101 Min.)