Der Fan

Liebe geht durch den Magen

German Exploitation: Heute vor 33 Jahren sorgte die Kinopremiere von Eckhart Schmidts Schock-Psychogramm mit der damals minderjährigen Désirée Nosbusch als kannibalistischem Neue-Deutsche-Welle-Groupie für einen Skandal. 

Als "Der Fan" am 4. Juni 1982 in den bundesdeutschen Kinos anlief, war sich die Kritik in ihren Verrissen einig: Eckhart Schmidts Machwerk lasse bei der Auseinandersetzung mit dem jugendkulturellen Starkult-Phänomen jeglichen psychologischen Tiefgang vermissen und schüre mit seinem spekulativen Kannibalismusplot und der ausgiebig in Szene gesetzten Nacktheit der bekannten "Musicbox"-Moderatorin Désirée Nosbusch nur die Sensationsgier des Publikums. Dass das damalige Teenie-Idol seinen Regisseur kurz darauf wegen zweier ihr nicht mehr genehmer Szenen verklagte und im Prozessverlauf die Frage aufkam, ob sie als 17-Jährige ohne Einwilligung ihrer Eltern den Film überhaupt hätte drehen dürfen, schien den "Skandal mit Ansage"-Vorwurf des Feuilletons zu bestätigen. Dabei wartet "Der Fan" nicht nur für eingefleischte Exploitationfans mit unbestreitbaren Qualitäten auf, von denen man sich dank des Berliner Labels cmv-Laservision, das den verkannten Kultfilm bereits Ende 2014 als limitiertes Blu-ray-Mediabook und jetzt noch einmal als Amaray-Blu-ray veröffentlicht hat, in exzellenter HD-Qualität erneut überzeugen kann.

Nosbusch spielt die hübsche Schülerin Simone, die in einer obsessiven Liebe zum stoischen New-Wave-Popstar "R" (Neue-Deutsche-Welle-Sänger Bodo Staiger) entbrannt ist. Als ihre schmachtenden Fanbriefe unbeantwortet bleiben, reißt die verstrahlte Außenseiterin von zuhause aus und trampt nach München, wo sie vor dem Fernsehstudio tatsächlich die Aufmerksamkeit ihres Traumprinzen erregt. "R" lädt das sprachlose Mädchen zunächst zu einer TV-Aufzeichnung und danach in das leerstehende Haus reicher Freunde ein. Als er nach der ersehnten Liebesnacht aber Anstalten macht, seine Eroberung sitzen zu lassen, dreht Simone durch. Noch immer unbekleidet erschlägt sie "R", schleift seine Leiche in die Küche und greift zum elektrischen Tranchiermesser, da sie nurmehr eine Möglichkeit sieht, auf ewig eins mit ihrem Idol zu werden.

"R"-Mime Bodo Staiger mit seiner Band "Rheingold"
"R"-Mime Bodo Staiger mit seiner Band "Rheingold"

So erzählerisch zäh und inszenatorisch konventionell die erste Filmhälfte von "Der Fan" auch geraten sein mag, so packend präsentiert sich das intime Herzstück des Films. Optisch eingeleitet von einer Kamerfahrt in die Dunkelheit des sich langsam öffnenden Mundes von Simone verlagert sich Regisseur Schmidt bei der (fast) dialogfreien Inszenierung von Liebesnacht und Liebesmord auf ausdrucksstarke Bildausschnitte und Großaufnahmen, die dem grausigen Geschehen eine traumwandlerische Note verleihen. Diese entrückte Wirkung wird von der grandiosen Performance der jungen Nosbusch unterstrichen, die wie in Trance eine Mischung aus wortwörtlich nackter Verletzlichkeit und triebgesteuerter Entschlossenheit an den Tag legt.  Ähnliche Ausstrahlung lässt sich ihrem Co-Star zwar nicht attestieren, dafür steuert Bodo Staiger mit seiner Band "Rheingold" einen exzellenten New-Wave-Elektropop-Soundtrack bei, der den "Skandafilm der Neuen Deutschen Welle" auch zu einer musikhistorischen Wiederentdeckung macht. Genau wie die Erkenntnis, dass Schmidt seinen Star "R" mit zahlreichen Anspielungen auf nationalsozialistische Ikonographie ausstaffiert und damit Simones freiwillige Fangefolgschaft zum problematisierenden Sinnbild des von den Nazis "verführten" deutschen Volkes macht. Eine nicht wirklich subtile aber faszinierend unheilvolle Meta-Ebene, die von damaligen Kritikern weitgehend ignoriert wurde, wie der heute 76-jährige Regisseur im 20-minütigen Bonus-Featurette "Eine kannibalistische Lovestory" mitteilungsfreudig zu Protokoll gibt. Angesichts der aktuellen Schweigerisierung der hiesigen Filmlandschaft ist "Der Fan" ein sehenswerter Beleg dafür, dass einstmals auch in Deutschland transgressives Genrekino möglich war. Good old times!

 

"Der Fan" (Originaltitel: "Der Fan") – BRD, 1982 (93 Min.)