Die Engel von Fukushima
Atomkraft? Nein danke: In der 13teiligen Anime-Serie aus dem Hause GoHands ("Mardock Scramble") müssen drei genetisch optimierte Schülerinnen in einer strahlenverseuchten Geisterstadt nach - selten friedfertigen - Überlebenden suchen.
Anfang März jährte sich das Reaktorunglück von Fukushima bereits zum vierten Mal. Die damals nicht nur in Japan um sich greifende Schockstarre führte 2011 auch dazu, dass
Regisseur Shingo Suzuki die Arbeit an der Zeichentrickadaption der Manga-Reihe "Coppelion" aus Pietätsgründen für zwei Jahre auf Eis legte. Die vom Zeichner Tomonori Inoue 2008 ins Leben gerufene
Comicserie spielt nämlich im Tokio der nahen Zukunft, das 20 Jahre nach der Explosion eines Atomkraftwerks noch immer zu 90 Prozent radioaktiv verseucht ist. Mit seinen postapokalyptischen
Bildern einer menschenleeren Geisterstadt wirkte Inoues Manga plötzlich wie die popkulturelle Prophezeiung der Fukushima-Katastrophe – ein bitterer Realitätsbezug, der nun auch der
seit Januar in vier Blu-ray- bzw. DVD-Volumes vom Label Kazé veröffentlichten Anime-Serie einen anklagend umweltpolitischen Unterton verleiht.
Im Zentrum der 13 Episoden stehen die Schülerinnen Ibara, Aoi und Taeko, die zur "Coppelion"-Spezialeinheit des Militärs gehören und als dreiköpfiges Rettungsteam auf der Suche nach
evakuierungsfähigen Überlebenden durchs verseuchte Tokio streifen. Benannt nach Léo Delibes' Ballettstück "Coppélia" über eine zum Leben erweckte Puppe handelt es sich bei den
Jugendlichen der Coppelion-Division um im Reagenzglas gezeugte Klone, deren genetische Optimierung Strahlenresistenz und andere übermenschliche Fähigkeiten umfassen. Wie es sich für
japanischen Sci-Fi-Zeichentrick zum Thema künstlich erschaffenes Bewusstsein gehört, bildet die Frage "Was macht den Menschen zum Menschen?" einen philosophischen Hintergrund, der
hier einen zusätzlich tragischen Anstrich bekommt, wenn die feuereifrige Teamleiterin Ibara die schmerzliche Selbsterkenntnis äußert: "Ohne diese Katastrophe wären wir nie geboren worden."
Während in den ersten Folgen zuweilen herzergreifende Überlebendenschicksale Story und Stimmung dominieren, wird ab Episode 5 die Actionschraube kräftig angezogen. Ibara & Co. bekommen es mit
den "Totengeistern der 1. Division" zu tun – eine Gruppe schwerbewaffneter Soldaten, die im Quarantänegebiet zurückgelassen worden sind und auf Rache an der japanischen Regierung brennen.
Unterstützung erhalten sie dabei von den psychopathischen Ozu-Schwestern, die als ehemalige Mitglieder des Coppelion-Säuberungsteams über zerstörerische Superkräfte verfügen und der
minderwertigen Menschheit den Krieg erklärt haben. Auch wenn dieser bis zum versöhnlichen endenden Showdown kontinuierlich eskalierende Konflikt höchst mitreißend inszeniert
wird, liegt die wahre Stärke von "Coppelion" in den atemberaubend animierten Hintergründen. Die Settings einer entvölkerten und von der geschundenen Natur zurückeroberten Metropole
müssen den atmosphärischen Vergleich zu Blockbusterproduktionen wie dem Kinohit "I Am Legend" oder dem PlayStation-Erfolg "The Last of Us" nicht scheuen – eine speziell für eine
"schlichte" Zeichentrickserie unerwartet hohe Animationsqualität, die für einige übertrieben weinerliche Momente und so manchen im Sande verlaufenden Nebenfigurplot
entschädigt.
"Coppelion" (Originaltitel: "Coppelion") – Japan 2013 (13 Episoden a 25 Min.)