Starry Eyes

Ein Seelenfänger namens Hollywood

A star is born... in pain: Eine ehrgeizige Jungschauspielerin lässt sich in diesem smarten Indie-Abgesang auf die kalifornische Traumfabrik auf einen faustischen Pakt mit surrealen Body-Horror-Konsequenzen ein.

"Starry-eyed" – zu deutsch: "blauäugig, naiv" ist ein Wesenszug, der in Los Angeles vielen jungen Menschen auf die Stirn geschrieben steht. Eine von ihnen ist Sarah (Alex Essoe), die knapp bekleidet im Fast-Food-Diner "Big Taters" jobbt, aber von einer großen Schauspielkarriere träumt. Im Gegensatz zu ihren Hipster-Freunden will sie von selbst realisierten No-Budget-Projekten nichts wissen und setzt ihre ganze Hoffnung in ein Vorsprechen für den Horrorfilm "The Silver Scream" der alteingesessenen Produktionsfirma Astraeus Pictures. Die Aufmerksamkeit der gespenstischen Casting-Direktorin erregt Sarah allerdings erst, als sie sich nach ihrem erfolglosen Termin auf der Toilette in einen Tobsuchtsanfall hineinsteigert und ihren Kontrollverlust als magische Schauspielformel zu akzeptieren beginnt: "Wenn Du Dich nicht komplett fallen lassen kannst, wie willst Du Dich jemals in jemand anderes verwandeln?" Nach einem zweiten, in orgiastischer Selbsterniedrigung gipfelnden Screentest wird Sarah dem Produzenten (stark: Louis Dezseran) vorgestellt, der in seiner filmischen Liebeserklärung an Hollywood das dunkelste menschliche Verlangen von allen beleuchten will: Ehrgeiz. Nach anfänglichem Widerwillen lässt sich die von zunehmend verzweifeltem Geltungsdrang getriebene Jungschauspielerin auf die sexuellen Avancen des diabolischen Filmtycoons ein und bezahlt diesen geschlechtlichen Teufelspakt mit einer schmerzhaften körperlichen Transformation, bei der ihr inneres Starpotenzial nach und nach monströse Gestalt annimmt – mit extrem blutigen Folgen für ihren Freundeskreis.

Bis zum magisch inszenierten Finale, in dem Sarah nach einer okkulten Zeremonie in den sonnenbeschienenen Hollywood Hills neugeboren wird, ist die Stadt der Engel in "Starry Eyes" in verwunschene Nebelschwaden gehüllt. Wer sich von derartigen metaphorischen Genrekunstgriffen des Regieduos Kevin Kölsch und Dennis Widmyer nicht abschrecken lässt, wird mit einem packenden Psychogramm belohnt, das den vermeintlichen Traumberuf Schauspieler schonungslos als schizophrene Quintessenz aus Selbstverwirklichung und Selbstverleugnung entlarvt – grandios verkörpert von Alex Essoe, die sich für ihr Hauptrollendebüt verdient gegen mehrere hundert Kandidatinnen durchgesetzt hat, wie Eindrücke ihres Casting-Videos im Bonusmaterial eindrucksvoll beweisen. Abgerundet werden die Extras durch unveröffentlichte Szenen, eine stylisch aufbereitete Fotogalerie mit Drehimpressionen sowie einen unterhaltsam hintergründigen Audiokommentar, in dem die Regisseure und Produzent Travis Stevens unter anderem Andrzej Zulawskis Meisterwerk "Possession" mit Isabelle Adjani als Inspirationsquelle für ihre Kickstart-finanzierte Low-Budget-Perle nennen. Bevor am 3. April die normale Kaufversion erscheint, hat Turbine Medien "Starry Eyes" am 13. März eine schmucke "3-Disc Uncut Collector's Edition" Veröffentlichung spendiert. Darin ist als zusätzliches Schmankerl die Soundtrack-CD des hypnotischen Synthie-Scores von Jonathan Snipes enthalten, der Sarahs grausigen Werdegang mit sphärischen Klängen und eingängigen Melodien zwischen Goblin und Tangerine Dream auch akustisch nachvollziehbar macht. Hör- und sehenswert!

 

"Starry Eyes" (Originaltitel: "Starry Eyes") – USA, 2014 (96 Min.)