Nimm mich, liebe mich

Weltliteratur mit nackten Tatsachen

Erotik für Bildungsbürger: Im Rahmen der Sexploitation-Klassiker-Reihe von Donau Film feiert Mac Ahlbergs Verfilmung des Émile-Zola-Romans "Nana" seine überfällige DVD-Premiere.

Im Rahmen seiner neun Bände umfassenden "Natur- und Sozialgeschichte einer Familie" veröffentlichte Émile Zola 1880 den Roman "Nana" über eine einfache Straßendirne, die nicht dank ihres Gesangtalents, sondern dank ihrer provokanten Schamlosigkeit zur gefeierten Operettendiva aufsteigt und fortan als Mätresse dem amoralischen Treiben der Oberschicht den Spiegel vorhält. In seiner Filmadaption verlagert der schwedische Regisseur Mac Ahlberg ("Fanny Hill auf schwedisch") das Geschehen in die knalligen Pop-Art-Farbkulissen der ausgehenden Swinging Sixties. Nana (Anna Gael) avanciert durch ihre erotischen Gesangsdarbietungen zum Star der Pariser Nachtclubszene und gefragten Fotomodell. Der Industrielle von Falke (Keve Hjelm) ermöglicht ihr ein luxuriöses Leben in Saus und Braus, doch Nana gelüstet es nach mehr. Nach einer perspektivlosen Liebesliaison mit dem jungen aber mittellosen Georges (Gérard Berner) lässt sie sich auf die Avancen des verheirateten Grafen Haupt (Lars Lunoe) ein – und schlüpft vollends in die gesellschaftliche Rolle, die ihr die lästernde Öffentlichkeit ohnehin zugeschrieben hat: "Wenn Du mich willst, musst Du mich bezahlen."

Selbst ist die Frau: Nana (Anna Gael) in einem Schlüsselmoment des Films
Selbst ist die Frau: Nana (Anna Gael) in einem Schlüsselmoment des Films

Anders als Zola, der im moralisierenden Romanende seine verarmte Antiheldin einen einsamen Krankheitstod sterben lässt, lässt Ahlberg seine Film-Nana zum Schluss über die Männer triumphieren, die sie in die Selbstzerstörung getrieben hat. Dass der Regisseur und Drehbuchautor das emanzipatorische Portrait einer Frau zeichnen wollte, die in ihrer Lust souverän ist, zeigt ein Schlüsselmoment, in dem Nana das eigene Spiegelbild liebkost, während ihr Geliebter in einem Magazinartikel über seine "Scandal Lady" blättert. Wie im gesamten Film entfaltet Ahlbergs durchkomponierter Regiestil auch hier seine volle Wirkung. Indem er seine entfesselte Kamera immer wieder mitten ins Geschehen fahren lässt und im Schnitt mit extremen Detailaufnahmen kombiniert, erzeugt der ab den 80er Jahren als Kameramann u. a. für "Der Re-Animator"arbeitende Regisseur eine mitreißende Unmittelbarkeit. Mit diesem inszenatorischen Konzept ließ sich auch kunstvoll verschleiern, dass in der ersten großen Sexszene des Films, in der Nanas Hand Georges' nackten Jünglingkörper erkundet und aktiv eine Erektion erzeugt, Körperdoubles aktiv waren. Ein kleiner expliziter Vorgeschmack auf die pornographische Stoßrichtung, die dieser in Vergessenheit geratene Meister des erotischen Films von 1974 bis 1977 unter dem Pseudonym Bert Torn eingeschlagen hat. 

 

"Nimm mich, liebe mich – Die Geschichte der Nana" (Originaltitel: "Nana") – Schweden/Frankreich, 1970 (96 Min.)