Come cani arrabbiati

Den Letzten beißen die Hunde

Genregrüße aus Italien: Als Teil 12 der famosen "Italian Genre Cinema Collection" präsentiert das Label Camera Obscura die Heimkino-Weltpremiere von Mario Imperolis politischen Exploitationkrimi "Wie tollwütige Hunde".

Als ein Trio maskierter Banditen während eines Fußballspiels die Einnahmen klaut und auf der Flucht einen Polizisten erschießt, nimmt sich Commissario Muzi (Jean-Pierre Sabagh) des Falles an. Seine Ermittlungen führen ihn aber nicht zu mafiösen Berufsverbrechern oder unterprivilegierten Verzweiflungstätern, sondern zum Industriellensohn Tony (Cesare Barro), der mit seinen Freunden Rico (Luis La Torre) und Silvia (Annarita Grapputo) ihr langweiliges Oberschichtsleben durch willkürliche Akte anarchischer Brutalität aufpeppt. Feststellend, dass dem Geldadel nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln beizukommen ist, beginnt Muzi, außerhalb des Gesetzes zu operieren – und schickt seine Freundin Germana (Paola Senatore) als Undercover-Bordsteinschwalbe in tödliche Gefahr. Auch wenn der mit schmissiger Easy-Listening-Musik von Mario Molini unterlegte Hybrid aus Polizei- und Gangsterfilm in erster Linie der gekonnten Inszenierung knalliger Exploitation-Schauwerte verpflichtet ist, gelingt es Regisseur und Drehbuchautor Mario Imperoli, mit seiner "Uhrwerk Orange"-artigen Umkehrung des Klassenkampfes ein ernüchterndes Sittengemälde der italienischen 70er Jahren zu zeichnen. Indoktriniert durch das Credo seines Vaters "Das Leben ist ein gnadenloser Kampf. Mitgefühl ist bedeutungslos." entpuppen sich Tony und seine jugendlichen Co-Gewalttäter als Sprösslinge eines amoralischen Kapitalismus.

Und ewig lockt das Weib: Bandenbraut Silvia (Annarita Grapputo)
Und ewig lockt das Weib: Bandenbraut Silvia (Annarita Grapputo)
Anarchistische Gewalt: Rico, Silvia und Tony haben ihren Spaß
Anarchistische Gewalt: Rico, Silvia und Tony haben ihren Spaß

Über die zahlreichen gesellschaftspolitischen Bezüge, die vom linken Terror der Roten Brigaden bis hin zum faschistisch-homophoben Mord an Pier Paolo Palolini reichen und als "Jahre des Bleis" in die italienischen Annalen eingegangen sind, informieren die exklusiv produzierten Extras in Form eines amüsanten Audiokommentars der deutschen Filmgelehrten Christian Kessler und Marcus Stiglegger sowie zweier ausführlicher Featurettes mit Kameramann Romano Albani und Co-Regisseur Claudio Bernabei. "Wie tollwütige Hunde" erweist sich dadurch nicht nur als Perle des italienischen Genrekinos, sondern auch als kraftvolles Zeitdokument, das Camera Obscura dankenswerter Weise dem cineastischen Vergessen entrissen hat. Weiter geht die "Italian Genre Cinema Collection" am 20. Dezember mit der Blu-ray-Premiere von Teil 11 – dem grandiosen Gothic-Giallo "Un bianco vestito per Mariale". Buon divertimento, ragazzi! 

 

"Wie tollwütige Hunde" (Originaltitel: "Come cani arrabbiati") – Italien, 1976 (98 Min.)