P.O.E. - Project of Evil

Der Großmeister des Grauens auf Italienreise

Edgar Allan Poe Reloaded: Das Label Illusions Unltd. Films präsentiert eine Kurzfilmsammlung, in der sieben Schauergeschichten der Schrifstellerlegende von italienischen Nachwuchsfilmern adaptiert werden. 

"V-H-S", "The ABCs of Death", "The Theater Bizarre" – Horror-Anthologien stehen seit einigen Jahren im Segment des phantastischen Films wieder hoch im Kurs. In Italien scheint dieser Trend mit einer Vorliebe für die Werke des 1849 verstorbenen Pioniers der Genreliteratur einherzugehen. 2011 entstand mit "P.O.E. - Poetry of Erie" ein erstes Kurzfilmprojekt, für das sich italienische Indie-Filmer von Poes Geschichten inspirieren ließen, das aber bislang nur im Heimatland und den USA veröffentlicht wurde. Während der dritte Teil "P.O.E. - Pieces of Eldritch" zurzeit auf Festivals die Runde macht, ist das zweite Kapitel seit letzter Woche in drei limitierten Mediabook-Varianten via Österreich erhältlich. 

Episode 2: "Alleine" von Angelo und Giuseppe Capusso
Episode 2: "Alleine" von Angelo und Giuseppe Capusso

Für "P.O.E. - Project of Evil" wurden die Geschichten "Die Grube und das Pendel" (Episode 1), "Atemnot" (Episode 3), "Der Doppelmord in der Rue Morgue" (Episode 4), "Das verräterische Herz" (Episode 5), "Das System des Doktor Teer und Professor Feder" (Episode 6) und "Lebendig begraben" (Episode 7) sowie das Gedicht "Alleine" (Episode 2) in moderne Interpretationen überführt, die das gesamte Genrespektrum von harter Horrorkost bis zu experimenteller Arthouse-Exzentrik abdecken, dabei allerdings gehörige Qualitätsunterschiede aufweisen. Während etwa die zweite Episode von Angelo und Giuseppe Capusso an mauen Schauspielleistungen krankt, schießt Episode 6 von Domiziano Cristopharo als Artsy-Fartsy-Groteske inklusive Edgar-Allan-Poe-Lookalike übers Ziel hinaus. 

Episode 6: "Das System des Doktor Teer und Professor Feder" von Domiziano Cristopharo
Episode 6: "Das System des Doktor Teer und Professor Feder" von Domiziano Cristopharo

Drei Kurzfilme ragen aus dem Schreckenspotpourri heraus: Die faszinierend inszenierte Auftaktsepisode von Donatello Della Pepa, dessen grandioser Werwolf-Kurzfilm "Versipellis" im Bonusmaterial des "Morituris"-Mediabooks zu finden ist und der hier die Poe'sche Vorlage in die sterile Hölle eines Versuchlabors verlagert. Nathan Nicholovitchs Episode 5, die den Zuschauer als dokumentarisch anmutende Ein-Mann-Tour-de-force vor der exotischen Kulisse Kambodschas in ihren Bann schlägt. Und die Abschlussepisode von Giuliano Giacomelli, der Poes makabere Mär des Lebendig-Begraben-Seins kongenial mit dem Erbe des italienischen Zombiefilms vermengt.

Episode 5: "Das verräterische Herz" von Nathan Nicholovitch
Episode 5: "Das verräterische Herz" von Nathan Nicholovitch

Was das Mediabook zu lohnenswerten Import-Anschaffung macht, ist das 80-seitige Booklet, in dem die verfilmten Geschichten in ihrer unübertroffenen Orginalübersetzung von Hedda Eulenberg aus dem Jahre 1901 abgedruckt sind. Eine nach wie vor fesselnde Lektüre, die vor Sichtung der zum Teil äußerst freien Adaptionen empfohlen sei. Unbedingt empfehlenswert ist auch "The Black Cat" von Andrea Aste - einer von zwei enthaltenen Bonus-Kurzfilmen. Der großartige Mix aus abstrakter Animation und Scherenschnitt-Look hält sich inhaltlich eng an die Vorlage, würzt den Plot aber noch mit zusätzlicher Zeichentrickerotik, weshalb sein kleines 12-Minuten-Meisterwerk auch in der zur Zeit noch in Postproduktion befindlichen Italo-Kurzfilm-Compilation "PoErn" zu finden sein wird. Mit Poe haben's die Italiener offenbar.

 

"P.O.E. - Project of Evil" (Originaltitel: "P.O.E. 2") - Italien, 2012 (95 Min.)