Der Todesking

"Ich sterbe, also bin ich!"

Parade der Schlussmacher: Nach dem Reizthema Nekrophilie nahm sich "Nekromantik"-Regisseur Jörg Buttgereit in seinem zweiten Spielfilm dem Reizthema Suizid an – seit der Mediabook-Ausgabe zum 25. Jubiläum sogar in HD-Qualität.

Am 25. Januar 1990 feierte "Der Todesking" sein Leinwanddebüt und stieß eine Heerschar von Gorehounds vor den Kopf. Denn alle, die geifernd darauf spekuliert hatten, dass "Nekromantik"-Regisseur Jörg Buttgereit in seinem zweiten Spielfilm die Exzessschraube noch weiter anziehen würde, sahen sich mit einem künstlerischen Gegenentwurf konfrontiert. Buttgereit und sein langjähriger Drebuchpartner in Crime Franz Rodenkirchen haben einen betörenden Konzeptfilm geschaffen, der sich in sieben Episoden, die nach den Tagen der Woche betitelt sind, des Themas Freitod annimmt und gleichzeitig die formellen Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums Film zur Schau stellt. "Montag" besticht beispielsweise durch eine ausgeklügelte Plansequenz, "Dienstag" zollt in einer Film-im-Film-Einlage den berüchtigten SadicoNazista-Filmen Tribut, "Mittwoch" zitiert Abel Ferraras "Die Frau mit der 45er Magnum", der ohne Schauspieler auskommende "Donnerstag" fängt mit den Mitteln des Dokumentarfilms die monströse Architektur einer in Bayern gelegenen Selbstmörderbrücke ein und "Samstag" wandelt mit der Steadycam-Aufnahme eines Amoklaufs auf Found-Footage- und Ego-Shooter-Spuren. Verbunden werden diese grundverschiedenen Kurzfilme durch Einblendungen einer sich in Zeitraffer zersetzenden Leiche, die den unvermeidlichen Weg allen Fleisches illustriert, und ominöse Kettenbriefe, die quasi das Fluchkonzept der japanischen "Ringu"-Filme vorwegnehmen. Durch diesen erzählerischen Kunstgriff und die von Kindermund gen Ende verkündete Erschaffung einer mystischen Figur ("Das ist der Todesking. Er macht, dass Menschen nicht mehr leben möchten.") kommen die dargestellten Selbstmörder-Schicksale ohne platte Psychoanalyse aus. Um die Beweggründe geht es nämlich in "Der Todesking" nicht, sondern um die Poesie des Todes und der menschlichen Tristesse. 

Regisseur Jörg Buttgereit – mit dem Todesking auf Du und Du
Regisseur Jörg Buttgereit – mit dem Todesking auf Du und Du

Zum 25. Jubiläum hat das Berliner Label Media Target dieser außergewöhnlichen Underground-Filmperle eine deutsche Blu-ray-Premiere spendiert. Das seit Ende letzten Jahres erhältliche und auf 1000 Stück limitierte Mediabook umfasst neben einem Booklet und einem Temporary Tattoo des knuffigen Todesking-Logos, das so einstmals auch der BRAVO beilag (!), als besonderes Schmankerl die Soundtrack-CD des traumhaft schönen Scores, bei dem vor allem das Schlüsselstück "Die Fahrt ins Reich der Menschentrümmer" von Daktari Lorenz nachhaltig zu verzaubern weiß. Abgerundet wird das üppige Bonusmaterial u. a. von dem bereits bekannten und unterhaltsam selbstkritischen Audiokommentar der Herren Buttgereit und Rodenkirchen, einer 19-minütigen und von Buttgereit kommentierten Bildergalerie, die tolle Einblicke in das handgemachte DIY-Credo während der "Todesking"-Dreharbeiten liefert, der 61-minütigen Doku "Corpse Fucking Art" über die Entstehung der buttgereitschen Nekro-Trilogie sowie Buttgereits ultra-trashigem Kurzfilmfrühwerk "Exzesse im Führerbunker".  Dabei manifestiert sich das Bild eines von kommerziellen Dünkel befreiten Filmemachers, der es im ebenfalls enthaltenen Podiumsinterview während des Slash Filmfestivals selbst am besten auf den Punkt bringt: "Wenig Geld aber mit viel Enthusiasmus!" 

 

"Der Todesking" – Deutschland, 1990 (75 Min.)