V/H/S: Viral

Ansteckende Kurzfilme

Für infizierte Komplettisten: Dem dritten Teil der Anthologiereihe im Found-Footage-Stil beschert das Label OFDb Filmworks eine limitierte "2-Disc Collector's Edition", auf der exklusiv eine zusätzliche Episode enthalten ist. 

Als Produzent Brad Miska 2012 auf die Konzept-Idee kam, das aus der Mode gekommene Format der Kurzfilm-Compilation mit der egoperspektivischen Ästhetik von Found-Footage-Erfolgen wie "Blair Witch Project" oder "Paranormal Activity" zu kombinieren, konnte der Initiator der Horror-Website "Bloody Disgusting" noch nicht ahnen, dass sich seine Spielwiese für experimentierfreudige Indie-Regisseure zu einem eigenen kleinen Franchise auswachsen würde. Nach dem erfrischend ungeschliffenen Auftakt "V/H/S - Eine mörderische Sammlung" und dem aufwendiger produzierten aber drastischeren Sequel "S-VHS" (2013) folgt jetzt mit "V/H/S: Viral" erneut ein abwechslungsreicher Kurzfilm-Mix, in dem ein humoristischerer Ton als in den Vorgängern angeschlagen wird. Die "Geschichten aus der Gruft" lassen grüßen... 

"Vicious Circles" (Regie: Marcel Sarmiento)

Dem Regisseur des grandiosen Indie-Schockers "Deadgirl" kommt die undankbare Aufgabe zu, in der Rahmenhandlung von "Viral" das bisherige Grundmotiv von zufällig aufgefundenen Videokassetten mit verstörendem Inhalt ins YouTube-Zeitalter zu transferieren. Sarmiento bedient sich dafür bei Motiven aus "Pulse" oder "The Signal" und entwirft das Szenario einer allgegenwärtigen digitalen Bedrohung, die durch das Einspeisen der apathische Selbstmorde oder brutale Amokläufe auslösenden Video-Clips ins Internet erzeugt worden ist. Als mysteriöse Upload-Zentrale entpuppt sich ein auf der Flucht vor der Polizei durch Los Angeles rasender Eiswagen, dem der sensationshungrige YouTube-Filmer Zach auch deswegen hinterher rast, weil er seine plötzlich verschwundene Freundin an Bord vermutet. Herausgekommen ist ein hektisches, im Guerilla-Stil gedrehtes Filmsegment, in dem bei den Effekten leider überwiegend auf CGI-Blut zurückgegriffen wird und das es mit dem mehrfachen Wechsel der Erzählperspektive schwierig macht, den Übergang zu den drei eingefügten Kurzfilmen der anderen Regisseure zu erkennen. 

"Dante the Great" (Regie: Gregg Bishop)

Bei der Episode des "Dance of the Dead"-Regisseurs handelt es sich um den aufwendigsten Beitrag der Compilation und ein Paradebeispiel dafür, dass sich auch mit minimalem Budget großes Kino fabrizieren lässt. Im Mockumentary-Gewand eines Crime-Story-Reports wird die Geschichte des Losers John McMullin (Justin Welborn) erzählt, der mithilfe eines dämonischen Umhangs zum gefeierten Magier aufgestiegen ist, die Gabe echter Zauberei aber mit regelmäßigen Menschenopfern erkaufen muss. Im neunminütigen Making-of der Episode, das auch im Bonusmaterial der regulären "V/H/S: Viral"-Veröffentlichung enthalten ist, erklärt Gregg Bishop, warum er bei der Inszenierung bewusst auf das bewährte Motiv der Augenzeugenkamera verzichtet hat, und gewährt faszinierende Einblicke in die Entstehung der raffinierten Low-Budget-Filmtricks, die vor allem im großen Zauberaction-Finale Eindruck machen. 

"Parallel Monsters" (Regie: Nacho Vigaldo)

Beim Beitrag des spanischen Geheimtipp-Regisseurs ("Timecrimes", "Extraterrestrial") handelt es sich um das durchgeknallte Highlight des dritten "V/H/S"-Teils. Nachdem es dem Physiker Alfonso gelungen ist, im Keller seines Hauses ein interdimensionales Portal in Betrieb zu nehmen, steht er plötzlich seinem anderen Ich und einem vermeintlich identischen Paralleluniversum gegenüber. Begeistert beschließen die beiden Wissenschaftler, für 15 Minuten die Plätze zu tauschen, doch als Alfonso der Parallelversion seiner Gattin Marta begegnet, muss er schnell und schmerzlich feststellen, dass es auf der anderen Seite doch extrem anders zugeht. Was auf ersten Blick mit einem satanischen Swingerclub-Szenario beginnt, wächst sich in diesem von der "Twilight Zone"-Episode "The Parallel" inspirierten Alptraumtrip zu einem grotesken Bodyhorror-Showdown aus – skurril und verstörend zugleich.  

"Bonestorm" (Regie: Aaron Moorehead + Justin Benson)

Zum Dreh eines außergewöhnlichen Reality-Videos reisen zwei Skater mit ihrem Kameramann nach Tijuana und werden nach dem Entweihen einer Kultstätte von den gewalttätigen Mitgliedern einer okkulten Sekte attackiert, die nach ihrem Ableben in Skelettgestalt die Angriffe auf die amerikanischen Eindringlinge fortsetzen. Durch den Einsatz von Helmkameras und gezielten Ego-Shooter-Versatzstücken steuert das Regie-Duo Moorehead und Benson zweifellos die dynamischste und mitreißendste Episode im "Viral"-Reigen bei, deren Survivalhorror-Originalität (quasi: das Skatervideo "der reitenden Leichen") sich aber trotz cooler Schauwerte recht schnell erschöpft. Ihre Inspirationsquellen kommen nicht im 6-minütigen Behind-the-Scenes-Feature des allgemeinen Bonusmaterials zur Sprache, sondern werden im Kurzfilm vom Kameramann genannt, wenn er die erfolgreichsten Reality-Formate der Filmgeschichte aufzählt: "Gesichter des Todes" und "Jackass".  

"Gorgeous Vortex" (Regie: Todd Lincoln)

Wenn man vom Bonus-Booklet absieht, in dem sich ein nachgedruckter Text aus dem "Virus Magazin" mit den bisherigen Episoden der Reihe und der Geschichte filmischer Horroranthologien beschäftigt, ist die zusätzliche Episode von "The Apparation"-Regisseur Todd Lincoln das einzige Kaufargument für das Mediabook. Leider ist "Gorgeous Vortex" nicht in die Filmhandlung eingebunden, sondern nur in den Extras abspielbar – wobei zugegeben werden muss, dass der 15-minütige Bilderrausch, der auch in der "Viral"-Kinofassung gefehlt hat, in Sachen Stimmung und Machart den konzeptionellen Rahmen nicht nur dieser "V/H/S"-Anthologie gesprengt hätte. Ohne Dialoge und untermalt mit moderner Klassik entfaltet sich die Story einer namenlosen Schönheit (Swimsuit-Model Jayden Robinson), die von einer mysteriösen Organisation dazu auserkoren wird, den Serienmörder attraktiver Frauen aufzuspüren. Ein faszinierend kryptisches Videokunstwerk, das die Logikregeln der Found-Footage-Vorgabe ignoriert, in seinen Aufnahmen weibliche Schönheit mit kühler Architektur kontrastiert und nicht nur dank eines so verblüffenden wie wirkungsvollen Monster-Endtwists in seinen Bann schlägt.

 

"V/H/S: Viral" (Originaltitel: "V/H/S: Viral") – USA, 2014 (81 Min.)